„Von Rache und kindlichem Mut“ mit Paulus Hochgatterer (Schriftsteller, Psychiater) und Wolfgang Müller-Funk (Kulturphilosoph)

April 05, 2025 01:21:38
„Von Rache und kindlichem Mut“ mit Paulus Hochgatterer (Schriftsteller, Psychiater) und Wolfgang Müller-Funk (Kulturphilosoph)
SALON am Sonntag
„Von Rache und kindlichem Mut“ mit Paulus Hochgatterer (Schriftsteller, Psychiater) und Wolfgang Müller-Funk (Kulturphilosoph)

Apr 05 2025 | 01:21:38

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Show Notes

2.3.2025 Am ersten Festivalsonntag nach den Premieren von „Elektra“ und „Featherman trifft die Gespenster“ besprechen wir Ursachen und Auswirkungen des hartnäckigen Bedürfnisses nach Rache, aber auch kindlicher Tatkraft und Furchtlosigkeit. Es scheint, als wäre dieselbe emotionale Quelle Ursache für Katastrophales wie Rettendes. Bis heute. Warum? Konzept und Moderation: Anna Luca Krassnigg Wissenschaftliche Begleitung Salon am Sonntag: Wolfgang Müller-Funk Wortwiege | Festival für Theaterformen | www.wortwiege.at
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Episode Transcript

[00:00:00] Speaker A: Meine Damen und Herren, herzlich willkommen an diesem sonnigen Sonntag. Ich bin begeistert, dass so viele von ihnen hier sind. Und das beglaubigt mehrere Dinge, aber in jedem Fall, dass wir einen sehr, sehr interessanten Gast haben und selbstverständlich ich einen sehr interessanten Mitstreiter an meiner Seite, seit langem und weiterhin. Und es beglaubigt etwas, das wir an diesem Festival, das seit Mittwoch schon läuft, sehr stark erleben, nämlich, dass ein analoger Austausch oder ein Gedankenflug hier oben, der dann danach und hoffentlich auch nachhaltig bei ihnen etwas aufwirbelt und Diskussionen auslöst, offensichtlich in diesen Zeiten sehr gewollt und sehr gebraucht ist. Vielen Dank aber jetzt schon für Ihr Interesse und ihr kommen. Ja, nichtsdestotrotz, wie das die gute Ordnung verlangt, möchte ich ihnen kurz meine Gäste vorstellen. Ich beginne mit dem speziellen Gast dieses Sonntagvormittags, Paulus Hochgatterer, ihnen allen mit Sicherheit bekannt, Schriftsteller, auch Dramatiker im Sinne dessen, dass er eigentlich wirklich einer der Österreicher ist, der wirklich viel auf Bühnen vorkommt, erfreulicherweise und wunderbarerweise. Und Kinder und Jugendpsychiater, also das heißt, jemand, der in doppelter Weise geeignet ist über das Thema Rache und kindlichen Mut. Denn darum wird es heute gehen, entlang dem Programm der letzten Woche, aber auch einiger Ereignisse, die uns umgeben. Und zu meiner Rechten Wolfgang Müller Funk, auch sicherlich vor allem Wortwege gehern und Ö Hörern. Also wie dieser Sender ohne dich bestünde, Wolfgang, das weiß ich eh nicht. Bekannt. Er ist Kulturphilosoph, Kulturtheoretiker und Literaturwissenschaftler. Und ich darf gestehen, dass ich mich sehr freue, dass wir diesen Salonreigen dieses Jahr mit dieser Runde eröffnen können, die es mir leicht macht. Es gibt Gäste, wo man einfach nur etwas antriggert, wie man so schön sagt, und es passiert etwas. Ich bin ja am meisten neugierig über das, was dann passiert. Wir sind wie immer rituell kaum abgesprochen, weil wir das interessanter finden. Also wir wissen, worum es geht. Die Herrschaften bürgen für Qualität, alles andere ist der freie Flug. Ja, das Thema ist groß, das Thema ist riesig, deswegen steigen wir gleich ein von Rache und kindlichem Mut. Wir können das ein bisschen zunächst mal getrennt betrachten und dann zum Schluss wieder zusammenführen, was das eigentlich miteinander zu tun hat. Warum dieser Titel? Die beiden Stücke, die Hauptthemen dieser ersten Festivalwoche, ranken sich sehr stark darum. Elektra ist wohl das Urstück über Rache und auch über verschiedene, zum Teil sehr fragwürdige Formen von Mut und Ferde. Man trifft die Gespenster. Dieses großartige Solo, das die letzten beiden Tage zu sehen war, ist eine Art zeitgenössisches Märchen im Sinne von einem der auszog, das fürchten zu lernen. Also kindlicher Mut ist da stark das Thema. Starten wir vielleicht chronologisch mit dem ersten künstlerischen Ereignis der Woche, der Eröffnungspremiere Elektra. Es gibt ja diesen diesen Satz revenge the dish best served cold. Also Rache ist ein Gericht, dass man am besten kalt serviert. Ich lasse das mal kurz sickern. Man könnte fast fragen, wenn es das nicht ist, ist es dann Rache? Also ist heiße revenge überhaupt Rache? Meine erste Frage wäre manchmal, kann das sehr kalt sein, im Sinne von es gibt dieses Gericht schon sehr lange. Elektra brodelt Jahre, bis es zum Final Showdown kommt, den dieses Stück behandelt. Und zahlreiche Mafia Filme und und andere Genres, auch in der großen Literatur, beweisen uns, dass Rache etwas sein kann, was sich unendlich anstaut, was wirklich ein Cold Dish ist. Was ist das für ein merkwürdiges Gefühl oder für eine merkwürdige Bestrebung? Warum ist das so hartnäckig? Warum kann das so lang andauern? Vielleicht das mal als Eröffnungsfrage an euch beide. Whoever wants to begin? Wolfgang, du siehst schon so startlüstern aus. [00:04:33] Speaker B: Dann fange ich an. Ich dachte, Höflichkeit gebietet es, den wahren Gast zuerst zu Wort kommen zu lassen. Das führt mich natürlich ein bisschen zurück auf dieses Buch, das ich 2022 veröffentlicht habe über Grausamkeit. Denn die Rache ist zwar nicht ident mit Grausamkeit, aber sie hat die Kälte gemeinsam und die Legitimationskraft. Das Heißt, die Frage ist doch, und die Frage stellt sich schon in den antiken Versionen des Stoffs, es kamen ja alle drei antiken großen Theaterleute, diesen Text verarbeitet, diese Geschichte verarbeitet. Wie kann es sein, dass ich sozusagen leichterhand, ohne schlechtes Gewissen zu haben, Rache übe? Und ist Rache wirklich, wie man auf den ersten Blick man denken könnte, sozusagen nur eine Überhitztheit? Und ich denke, die Diagnose, auch die Ritualisierung der Rache in der Blutrache z.B. legt es nahe, dass die Rache eine Art von Pflicht ist. Es gibt eine Ethik der Rache. Die Rache klingt ja auch ein bisschen mit der Gerechtigkeit zusammen. Das heißt, derjenige, der Rache übt, ist der Überzeugung, dass er eigentlich nichts anderes machen kann, als Rache zu üben. In der Einführung habe ich Ismail Kadaret erwähnt, diesen wunderschönen Roman April. Was heißt wunderschön? Wundergrausam kann man auch sagen, in dem der Sohn der einen Familie gezwungen wird, sozusagen sein Gegenüber der anderen Familie zu töten. Und das ist in hohem Maße ritualisiert. Der muss sogar an der an der Bestattung des Getöteten der einen Familie teilnehmen. Bis er dann von der anderen gejagt wird. Es ist alles genau eingeteilt. Es gibt eine Institution, die überwacht, ob die Rache auch ausgeübt wird. Das ist das Beispiel der albanischen Blutrache. Und das Interessante, nachdem Albanien sich als mehrheitlich islamisches Land darstellt, dass diese Blutrache an der Peripherie von Christen ausgeübt wurde, also eigentlich entgegen der Religion, die sozusagen der Rache abschwören will. Und das ist ja etwas, das René Girard, dieser französische Kultur und Literaturtheoretiker, entwickelt hat, dass die Demokratie, die moderne Gesellschaft versucht, die Rache durch ein unabhängiges, autonomes Gerichtswesen zu ersetzen, dass derjenige, der oder die Familie, die Opfer von Gewalt geworden ist, nicht die richtige Instanz ist, das sozusagen im Tauschakt gut wieder gut zu machen. Es besteht eine Art Tauschverhältnis. Ich bring dir einen um, dafür bringst du mir einen um. Also dann sind wir quitt. Das funktioniert natürlich nicht. Und die Gewalt, letzter Satz, die Gewalt ist etwas, was Gemeinschaften in ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl bedroht. Deswegen auch die Institutionalisierung, deswegen auch die Kälte. [00:07:43] Speaker A: Mehrere Abbiegungen möglich. Also offensichtlich ein sehr atavistisches Gefühl. Also das, was du gerade angesprochen hast, wird ja in diesem berühmten apropos universell, also auch religionsuniversell, Auge um Auge, Zahn um Zahn thematisiert. Paulus, abgesehen von Gedanken, die dir bisher sicher auch unabhängig von meiner Frage schon durch den Kopf gegangen sind, würde ich gerne aus deinem Beruf auch heraus auf die ja, es gibt diese, diese, diese ritualisierte, diese, wie du richtig sagst, öffentliche und auch anders von der Öffentlichkeit in der Hand genommene Funktion der Rache. Aber es gibt doch auch etwas wie ein individuelles Gefühl. [00:08:24] Speaker C: Dort wollte ich hin. Ich muss am Anfang gleich total widersprechen. [00:08:30] Speaker A: Nichts besseres kann mir passieren. [00:08:32] Speaker C: Ra ist von ihrem Ursprung her oder in ihrer Genese very hot Tisch. Und Rache ohne Affekt ist in Wahrheit nicht denkbar. Das, was hier beschrieben wurde, also bis zur, bis zum, ich weiß nicht, bis zum, bis zur Strafprozessordnung kann man das irgendwie durchdeklinieren, ist in Wahrheit ein Prozess, der, der diese Form der Vergeltung handhabbar macht in Gesellschaft, den Hot Tisch der Rache, des unkontrollierten, durchbrechenden Affekts in einen Rahmen zu kriegen. Das ist dieser Prozess, der da gibt es ja auch so mehr oder minder artifizielle Versuche, Rache, Vergeltung zu unterscheiden. Rache, also das affektiv hoch aufgeladene Bedürfnis, dem anderen, weil einem Unrecht widerfahren ist oder weil man verletzt wurde, dem anderen Gleiches zurückzugeben. Diese Figur, die muss in Gesellschaften in den Griff bekommen werden. [00:09:48] Speaker A: Mach weiter. Wolltest weiter. [00:09:50] Speaker B: Diesen Prozess habe ich ja beschrieben. [00:09:52] Speaker A: Dann frage ich dazwischen. [00:09:53] Speaker C: Aber sozusagen am Quell der Rache ist es sehr heiß. Es ist sehr heiß, höchst subjektiv. Und die Hitze der Rache kommt ja nicht nur aus dem Affekt des Zorns, sondern sie kommt in einem gewissen Sinn auch aus einer, und das ist auch verbunden mit Rachel, Lust ist in irgendeiner Form beteiligt. Die Vorstellung, also die Fantasie, dem anderen jetzt das anzutun, von dem ich sicher bin, dass es ihm gebührt. [00:10:29] Speaker A: Ich muss da weiter nesteln, weil es so eine Frage ist, die man sozusagen klassischerweise einem Psychiater stellen würde und dann noch einem, was für ein Unwort, aber einem literarischen Psychiater. Es ist ja bei Elektra ganz offen zu bewundern, und gerade in der Hoffmannsthal Fassung, die Janis, die sehr stark von der Traumdeutung von Freud geprägt ist, bis in jeden Satz hinein sehen wir ja beides. Also wir sehen, dass Elektra es schafft, übrigens besonders stark in dieser Inszenierung, durch das ständige Wiederhochkochen. Apropos Hitze, also eigentlich ist das Gericht schon sehr kalt, weil das ganze Ding ist 1012 Jahre her. Aber sie schafft es durch ihre Selbstaktivierung, das sieht man schon im ersten Monolog, dieses Gericht immer wieder siedend heiß zu machen und hält das, und das ist das, was du angesprochen hast, auch für ihre Verpflichtung. Also jeden Abend geht sie dahin zu diesem Opferding und papa, ich werde das so lange hochhalten, bis einer kommt und die Mutter, also bis sozusagen dieses Reich gestürzt und die Eltern ermordet werden. Das heißt, offensichtlich gibt es, und dahin geht jetzt meine Frage, Menschen wie z.B. diese Elektra, aber auch andere, z.B. in dem Roman, den du angesprochen hast, die es schaffen, diese Hitze oder diese am Quell, wie du gesagt hast, befindliche Hitze über Jahre, über Jahrzehnte immer wieder hochzukochen, bis es dann passiert. Ist das eine Eigenschaft, die sehr unterschiedlich verteilt ist? Wird sie durch bestimmte Umstände getriggert? Ist sie vorzivilisatorisch? Gibt es das bei uns jetzt, so wie wir hier sind, nicht? [00:12:12] Speaker C: Auf der einen Seite über die Psychologie der Rache zu sprechen und auf der anderen Seite über die Logik der Rache zu sprechen, sind zwei verschiedene. Die Psychologie der Rache, das kann man sagen, das ist mein Metier, das interessiert mich aber ehrlich gesagt, wenn ich mich mit Figuren wie Elekta beschäftige, viel weniger als die Logik, die festgeschriebene Logik der Rache, die im, ich weiß nicht, wie heißt der, Atridenfluch oder Tantalidenfluch? Festgeschriebene Logik der Rache, die sagt, es muss sein. [00:12:48] Speaker B: Und das verbindet sie mit dem Opfer. [00:12:50] Speaker C: Genau. [00:12:51] Speaker A: Wir kommen gleich zum Opfer. Ich möchte trotzdem da weiterbohren, weil es mich so interessiert, nämlich den Psychologen. Trotz deiner charmanten Fluchtversuche in die Gesetzmäßigkeit. [00:13:05] Speaker C: Der Rache, man entkommt ja nicht. [00:13:08] Speaker A: Das ist ja irgendwie that's my job, zu fragen, ist Rache, die ja, das sieht man bei Elektro sehr deutlich, ja auch etwas zu tun hat mit einerseits mit Kraft. Also diese Frau hat trotz allem, was sie damit macht, eine enorme Kraft. Und auf das werden wir später noch stärker kommen. Sie kann nicht vergessen, das sagt sie auch. Ist dieses Festhalten, man sagt im Volksmund oft, du bist irgendwie nachtragender Elefant. Hat dieses, ist dieses Festhalten an etwas, an einem Trauma, sehr unterschiedlich ausgeprägt in Menschen oder gibt es einfach Umstände, die die Menschen dazu bringen, unbedingt daran festhalten zu müssen? Das ist wirklich eine Frage an den Psychologen oder Psychiater. [00:13:52] Speaker C: Die für uns alle gute Nachricht ist, dass Rache ja etwas ist, das sich zu allermeist in der Fantasie abspielt und auch dort erschöpft. Rache ist ganz selten etwas, das in die Tat umgesetzt wird. Rache, also die heiße Rache, die aus dem unmittelbaren Zorn kommt, führt ganz selten in Wahrheit dazu, dass ein Mord passiert oder irgendeine andere Vergeltungstat. Wenn wir uns alle fragen, wie oft haben wir in unserer Fantasie schon jemanden umgebracht, dann, wenn das alles umgesetzt worden wäre, würde es irgendwie nicht so lustig ausschauen. Das heißt, das ist für uns alle die gute Nachricht. Für das jeweilige oder jeweils betroffene Individuum ist es, vielleicht müsste man das differenzierter anschauen, ist es letztlich wahrscheinlich auch ganz gut, dass der, den man in der Fantasie absticht, nicht tatsächlich gemordet wird. [00:14:56] Speaker A: Aber es ist, wenn ich das noch mal zusammenfasse, tatsächlich unterschiedlich. Also Menschen sind da einfach unterschiedlich ausgestattet, in diesem Trieb festzuhalten. [00:15:05] Speaker C: Auf der einen Seite gibt es Menschen, die in einer Art und in einem Umfang verletzt werden, dass sie nicht mehr rachefähig sind, dass ihnen selbst die Fantasie der Rache nicht mehr möglich ist. Und dann gibt es das. Dann gibt es diese ganzen Akkulturationsprozesse, durch die wir alle gelaufen sind und die uns letztlich sehr zuverlässig daran hindern, dass wir Rache tatsächlich üben. [00:15:36] Speaker A: Ich möchte dann auf dieses Festhalten loslassen, das ja viel mit dem Thema des verzeihen könnens, aber auch des Erinnern könnens zu tun hat. Auf das werden wir dann noch mal kommen. Aber du hast es schon angedeutet, es flog an mein rechtes Ohr, das natürlich ganz wichtige Ingredienz, das Thema Opfer. Also in Elektra ist es so, dass das ja eigentlich alle, die da beteiligt sind, von Opfer sprechen und auf sehr unterschiedliche Weise Opfer bringen. Wenn ich erinnern darf. Orest opfert seine glamouröse Jugend in diesem merkwürdigen Refugium, in das er verbannt ist. Das sagt er auch. Das überliest man beim ersten Auftritt. Ich weiß, ich weiß, ich komme da nicht gut raus. Und ich weiß, was ich aufgegeben habe. Elektra bezeichnet ihr ganzes Leben als eine einzige Opferhandlung. Chrysotemis wählt das eigentlich ab, zumindest bei Hofmannsthal. Und die Mutter denkt, wenn ich das richtige Opfer finde, so heißt es bei Hofmannsthal, dann wird das alles enden. Was ist das mit dem Opfern? Ist das ein sehr alter Begriff? Betrifft uns der heute noch? Ist das etwas, das mit den heutigen Unruhen was zu tun hat? Was ist das wieder für ein altes Wort? Was hat das für eine Funktion? [00:16:50] Speaker B: Ja, das Opfer ist so alt wie die Rache. Ich möchte den Widerspruch zwischen uns nicht vollständig auflösen. Eine Scheinversöhnung sozusagen. Aber ich habe von etwas anderem gesprochen. Ich würde nicht leugnen, dass alle Formen von Grausamkeit natürlich ein hohes affektives Moment in sich tragen, aber dass sie sozusagen gesellschaftlich werden, dass es eine Ethik des Opfers, eine Verpflichtung zum Opfer, eine Verpflichtung zur Rache ist. Das ist sozusagen das kalte Element. Das heißt, ich habe eine Legitimation. Ich habe nicht den Eindruck, ich tue was Böses, sondern ich tue, was wichtig ist, zumindest unvermeidlich ist. [00:17:32] Speaker A: So ist es ja auch bei Elektra. [00:17:34] Speaker B: Und schon bei Aeschylos wird das immer in Frage gestellt. Also davon auszugehen, dass erst mit Goethe und Hoffmannsthal die Arbeit am Mythos beginnt, ist falsch. Schon das klassische Theater ist eine Arbeit am Mythos einer Gesellschaft, die 1000 Jahre zurückliegt. Die Geschichte ist ja alt zum Zeitpunkt der Dramatisierung durch die drei von mir erwähnten griechischen Klassiker. Das heißt, der entscheidende Punkt ist, dass es eine Regelung von Gewalt in vormodernen Gesellschaften gibt, die anders, aber doch gleichzeitig formalisiert ist. Das ist die, wie ich finde, interessante Grundthese von Gerard und das Gericht funktioniert eben nicht wie die Rache, obwohl man sagen muss, es gibt ja noch jede Menge Gesellschaften, die Todesstrafe haben. Und in der Todesstrafe schlummert sehr wohl die Rache und die Vergeltung. Wenn ich mir anschaue, dass die Angehörigen die Hinrichtung anschauen können des Mörders, ihres Liebsten oder ihrer Liebsten oder ihres Kindes in den vereinigten Staaten, dann ist das ein Beispiel, dass wir sehr immer in Versuchung sind, auf diese Logik des Opfers zurückzukehren. Und nicht das Wort so in diesem harmlosen Sinn, da gibt es 50 Verkehrstote, und die werden auch als Opfer bezeichnet. Der Opferbegriff hat sich verdünnisiert und ist dadurch auch nicht mehr besonders interessant. Aber ich würde sagen, wir sind permanent bedroht davon, von der Opferlogik eingeholt zu werden. [00:19:16] Speaker A: Dann versuche ich hier noch mal einen Eingang in die Opferfrage sind an euch beide, sind Gesellschaften, und man muss sagen, das Erstaunliche ist ja, dass wir über etwas diskutieren, von dem wir nicht dachten oder nicht fürchteten, es jemals aktuell nennen zu müssen. Sind Gesellschaften, in denen Gefühle oder Gedanken wie Rache oder Opfer und ein Abgleich der Opfer sozusagen an der Tagesordnung steht oder in jedem Fall ein politisches Material ist, sind das alte Gesellschaften, sind das weniger zivilisierte Gesellschaften? Ist es ein Rückschritt? Also man würde ja ganz eindeutig, man hat, wie ich persönlich finde, mit Recht immer wieder in den letzten Jahren darüber diskutiert, dass Länder wie z.B. die von dir benannten Staaten, die die Todesstrafe als Befriedigung dieser Gelüste und anderer haben, sozusagen in irgendeiner Form zivilisatorisch rückschriftlich sind. Ist das so? Und wenn, warum leben wir in rückschrittlichen Zeiten? Ich meine, ich weiß, das würde jetzt 5000 weitere Stunden brauchen, aber der Versuch einer Antwort. [00:20:28] Speaker C: Ich fange mal irgendwo an. Die. Die Grundidee, die hinter der Rache steht, nämlich durch diese Reziprozität so etwas wie eine restaurative Kraft irgendwie umzusetzen, diese Grundidee ist aus meiner Sicht von Anfang an eine Illusion. Denn das passiert nie, sondern es passiert immer das, was die jetzt, um auf die griechischen Dramatiker zurückzukommen, was die Substanz des Tantalidenfluches ist, nämlich die Fortsetzung der Bluttat. Das ist das, was passiert. Das heißt, das Grundkonzept von Rache ist von Anfang an ein Irrtum. Dysfunktional ist ein Irrtum. [00:21:23] Speaker B: Und trotzdem wird es gemacht. [00:21:25] Speaker C: Und trotzdem. Trotzdem wird es gemacht. [00:21:28] Speaker A: Und trotzdem wird es auch, entschuldige, ermächtigt. Also trotzdem wird es sozusagen ja zum Teil auch positiv bewertet als Stärke. Jemand, der das tut, hat einen .in. [00:21:43] Speaker C: Meiner kinderpsychiatrischen Hälfte bin ich permanent mit Menschen befasst, denen Rache verunmöglicht wird. Also durch das, was ich vorhin versucht habe anzudeuten, nämlich durch Entwertung, Demütigung, Traumatisierung in einer Weise, in einer Intensität, sodass sie still und denkunfähig werden und ihnen selbst die Fantasie der Rache verunmöglicht wird. Also so kann Rache schon auch zum Stillstand kommen. Und diese Figur fällt mir ein, nur weil du dich auf die Gegenwart beziehst. Wenn man jetzt dieses, wir haben vorhin darüber gesprochen, dieses Trump Trump Owen Office Video anschaut, dann fällt mir genau das ein. Wie macht man Menschen stumm, denkunfähig? [00:22:36] Speaker B: So, wie zerstört man sie ein zweites Mal? [00:22:39] Speaker C: Wie zerstört man sie ein zweites Mal? Ganz genau das ist der Punkt. [00:22:44] Speaker A: Ich glaube, ich darf mich reinschwindeln. Weil es genau um das geht. Wie traumatisiert man sie eigentlich? Also das, was du ja beschreibst, sind Traumatisierungen. [00:22:53] Speaker C: Wie retraumatisiert man sie? Genau so macht man das, indem man, ich mag jetzt nicht zu sehr politisch werden, ich habe jedenfalls, was meine Person betrifft, und ich glaube, es geht euch irgendwie nicht anders. Ich bin aufgewachsen immer in dem Gefühl, ich bin Jahrgang 61, bei dir, Wolfgang, geht sich auch noch aus in dem. [00:23:23] Speaker A: Gefühl, du schweigst charmant über mich, du. [00:23:27] Speaker C: Bist viel jünger als wir. Etwas viel, viel jünger, in dem Gefühl, es ist etwas weg, was gerade noch da war. Und die Reste von dem, was gerade noch da war, über die mancherorts viel gesprochen wurde, meistens eher wenig gesprochen wurde, die Reste, die spürt man dort und da noch, aber die verschwinden. In diesem Gefühl bin ich aufgewachsen. Und dieses Gefühl hat in Wahrheit, und das kommt mir erst jetzt, wo es plötzlich anders zu werden scheint, zu Bewusstsein, dieses Gefühl, das war die Basissicherheit meines Lebens. Die Hintergrundfolie, vor der ich gelebt habe, war das Gefühl, das, was damals war, von dem wir alle wissen oder zu wissen meinen, in etwa, wie es war und wie schrecklich es war, und das verschwindet und es kommt nicht wieder. Und diese Sicherheit ist jetzt weg. Also so dieser sie sind wieder da oder es ist wieder da. Dieser Satz ist der Satz, der mir momentan ständig im Kopf herumgeht. [00:24:37] Speaker B: Ja, wir haben normalerweise ein negatives Verhältnis zu Schranken, aber Schranken haben auch etwas höchst Positives, was Sicherheit beschert. Wir erleben eine Zeit, wo scheinbar die Schranken aufgehoben werden. Und wir begegnen Politiker, ich sage es ganz neutral und namenlos, die sich alles herausnehmen. Und das setzt voraus, dass sie unmittelbaren Zugriff zur Macht. Die Machtergreifung findet nicht einmalig statt, sondern jeden Tag. Und das setzt voraus, zwei Dinge in den Griff zu bekommen, die für unsere Sicherheit oder Wohlbefinden eine große Rolle spielen. Das ist die Justiz, die unabhängige Justiz. Und das sind natürlich auch unabhängige Medien. Wenn ich mir anschaue, auch die Regierungsverhandlungen mit dem Wahlsieger, dann war das doch ganz deutlich zu spüren, dass nach bestimmten Vorbild, die wir aus Ungarn, aus der Türkei und aus anderen Ländern kennen, ich nehme jetzt mal zwei in Anführungszeichen harmlosere Beispiele. Es geht um diesen Zugriff. Und wenn ich diesen Zugriff habe, dann kann ich die Sau rauslassen, um es jetzt mal wirklich sehr unwissenschaftlich zu sagen. Dann kann ich mir alles herausnehmen. Dann ist es auch kein Problem zu lügen. Es ist kein Problem, andere Leute versuchen, fertig zu machen. Das wird dann zu einer Art von Normalität, genauso wie die Willkür. Ich werde euch immer eine Überraschung bieten. Der Diktator, der klassische Diktator, macht doch immer eine überraschende Dinge. Er hängt dann jemand anderen auf, als man gedacht hat. Er hält sozusagen die ganze Gesellschaft in Atem und in Haft. [00:26:13] Speaker A: Ich möchte an der Stelle kurz noch mal zurück und nach vor gleichzeitig, nämlich zurück zur sind denn diese Zeiten, wo Dinge hochkochen, wo ihr, wie ihr es beschreibt, und in gewisser Weise natürlich auch noch ich, auch wenn in der anderen Zeit sehr stark Reste davon hatte, nämlich diese Sicherheit ist ja eben auch eine Sicherheit der Institutionen, dass Gefühle wie Rache, Übergriff, Machtübertretung, Schrankenlosigkeit bis hin zur Kriminalität, selbst in politischen Ämtern, die Sicherheit, dass das alles nicht passiert ist, dass das positiv in Institutionen vergesellschaftet ist, sozusagen. Diese Sicherheit ist ja unter anderem zentral weg. Dass es aber so weit gekommen ist, führt uns das nicht in gewisser Weise wieder zu unserem Rache und Mut, Rache und Übermut zurück? Meine Frage wäre, es gibt einen alle diese Dinge, also diese Wiederholung hat ja offensichtlich damit zu tun, dass sich Menschen und kollektive Gesellschaften nicht genügend erinnern können. Also ich bin in der Generation wiederum, die. Also ich weiß nicht, wie oft ich Erinnerungskultur und Erinnerung und Bedenken und so weiter. Mich persönlich hat das sehr berührt, weil ich auch aus einer jüdischen Familie. Ich wäre dem ohnehin nicht entgangen, aber das war ja die, die, wie ich finde, durchaus sehr nachvollziehbare Obsession meiner Schulzeit. Irgendein ehrlicher Bildungspolitiker hat in den letzten Tagen gesagt, oh mein Gott, offensichtlich ist dennoch irgendetwas komplett schiefgegangen, weil offensichtlich Individuen und Gesellschaften diese Erinnerung fehlt, an was dann passiert, wenn sich das so anfühlt wie jetzt. Jetzt ist ja das merkwürdige, dass jemand wie Elektra genau das tut. Also sie hält wie eine Fackel diese Erinnerung hoch. Sie sagt Tag und Tag, Nacht und Nacht, jede H. Wir müssen uns an das erinnern, was passiert ist. Während die Mutter sagt, das ist mein Lieblingssatz, da wollte ich dich immer schon dazu befragen. Die sagt doch glatt, mitten in dem Stück, und zwar sagt, wenn es gut gespielt ist und Nina Gabriel Spiegel, sehr gut sagt ihr das in völliger Unschuld, wenn die Tochter immer sagt, aber du hast den Vater doch umgebracht. Und die sagt ihr glatt, nein, erst war es davor, dann war es danach, dazwischen habe ich nichts getan. Also gibt es. Das heißt, das Gegenteil von erinnern. Man hatte so das Gefühl, dass die eine die Täterin sozusagen verdrängt in einem Ausmaß, wo ich als Laie sagen würde, das gibt es doch nicht. Das muss literarische Überhöhung sein. Und die andere kratzt diese Kruste immer wieder auf. Doppelfrage an dich. Die Doppel Axt der Klötemnester in Frageform. Ist das tatsächlich so? Ist das eine literarische Überhöhung? Oder kann Verdrängung so weit gehen, dass man eine so explizite Tat scheinbar nicht mehr präsent hat? Die eine Frage und die andere ist denn nicht zumindest dieses Moment der penetranten Erinnerung das, was an dem Gefühl der Rache bemerkenswert ist? [00:29:23] Speaker C: Zuerst weiß ich nicht, ob. Oder ich bin ganz sicher, dass Hofmannsthal keine psychiatrischen Lehrbücher gelesen hat, aber die. [00:29:30] Speaker A: Traumdeutung ist kein psychiatrisches Lehrbuch. [00:29:33] Speaker C: Und man kann jetzt natürlich über die. Man könnte darüber reden, welche psychiatrische Diagnose Klytemnestra zu geben wäre. Ich glaube nicht, dass sie so etwas wie eine dissoziative Störung hat. Das heißt quasi das, was dieses Zitat ausdrückt, ein Ausblenden oder ein nicht erinnern, eine dissoziative Amnesie, weil der Affekt irgendwie in Wahrheit so übermächtig ist und abgewehrt werden muss. Das glaube ich gar nicht. Ich glaube, die Klytämnestra, Agamemnon war ja nicht der erste und nicht der einzige, den sie umgebracht hat. [00:30:11] Speaker A: Und sie hatte gute Gründe. Der hat immerhin die Tochter geopfert. [00:30:15] Speaker C: Und sie haben es immer zu zweit gemacht, glaube ich. Immer Ägypten. Ich weiß nicht, wie viele. Wie viel waren es insgesamt? Drei. [00:30:21] Speaker A: Zumindest die, ja, also mit der Vorgeschichte. [00:30:26] Speaker C: Und das heißt, die hat jetzt aus Lehrbuch, aus psychiatrischer Sicht eine schwere Persönlichkeitsstörung und aus. [00:30:42] Speaker A: So kann man große Literatur mit einem Strich zu Ende erklären. [00:30:47] Speaker C: Und sie spricht auch so. Sie lügt, sie tut so, als ob sie behauptet, sie kann sich nicht erinnern. Natürlich kann. [00:30:55] Speaker A: Aber das tolle ist sie wahr, lügt. Sie macht es so gut, dass man in der S denkt, das ist Literatur. [00:31:04] Speaker C: Sie macht es irgendwie ziemlich platt. Aber jetzt von mir aus psychologisch gut, aber das ist eine Soziopathin oder gemeinsam mit dem Regist sind ein Soziopathenpaar, wie es tatsächlich ja auch in der Kriminalliteratur gelegen wird, vorkommt. [00:31:31] Speaker A: Das zweite ging aufs Erinnern. Ob die Funktion, also weil das so auffallend ist im Stichsinn, Message wir müssen uns erinnern, wir dürfen nicht vergessen, wie der Vater zu Tode kommt. [00:31:41] Speaker C: Ich habe es noch einmal gelesen und ich habe ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich habe einen Verdacht, warum das so ist. Bei Elektra verknüpft sich dieser Racheauftrag, der transgenerationale, atridenfluch generierte Racheauftrag dieses Clans, dieser Familie, mit etwas, das höchstpersönlich ist, nämlich mit ihrer höchstpersönlichen Beziehung zu ihrem Vater Agamemnon. Und es gibt diese eine Stelle, diese kleine Stelle, die paar Sätze, die nur ganz kurz sind, wo es um Sexualität geht, ganz eindeutig, wo sie da von sich und ihrem Körper spricht. Ich kann es jetzt wörtlich nicht ist präsent der Körper des Vaters, und dann ist ihr eigener Körper. Und wenn sie sich Lust bereitet, irgendwie, so heißt irgendwie, dann hört sie in Stöhnen. Diese Stelle gibt es im Hofmannsthal Text. Das heißt, da gibt es auch eine. Da gibt es eine Verbindung zwischen Elekta und Agamemnon, die so affektiv oder so emotional konnotiert und aufgeladen ist, dass mir das das Präsentbleiben oder die höchstpersönliche Notwendigkeit des Racheaktes. [00:33:06] Speaker A: Das heißt also, wir brauchen etwas als Individuen, und das führt mich jetzt wunderbar zum Kulturwissenschaftler und den Gesellschaften. Wir brauchen etwas, wie auch immer wir das werten wollen, das so stark oder so heiß an der Quelle, finde ich, einen schönen Begriff ist, dass es dieses Erinnern dermaßen hochhält, wie z.B. bei Elektra. Also diese wahnsinnig starke Verbindung, wie auch immer die ist, sexuelle Verbindung, erotische Verbindung, in jedem Fall heiße Verbindung. [00:33:35] Speaker C: Wenn wir uns rächen wollen, brauchen wir. [00:33:37] Speaker A: Genau. Wie ist das mit mit Gesellschaften? Gibt es Phänomene, wo Gesellschaften etwas als so affektiv traumatisierend oder auch empathisierend empfinden, dass sie es nicht aus dem Gedächtnis verlieren? Also man hat ja schon den Eindruck, wenn man einige politische. [00:33:59] Speaker B: Ich glaube, dass Hofmannsthal das aus dem Gedächtnis verloren hat, die Geschichte. Er ist nicht so sehr interessiert an der Logik der Rache und der Logik des Opfers. Das ist nicht sein Ding. Und ich finde schon, dass man merkt, ich weiß nicht, wie viele erfreut oder auch Adler oder wen auch immer gelesen hat, aber man merkt diesen Diskurs, man merkt die Individualisierung, man erlebt das sozusagen eine traumatisierte Frau, die doppelt traumatisiert ist durch die Tat gegenüber dem Vater und umgekehrt, dass sie als Sklavin gehalten wird. Das ist ja eine Prolongierung dieser Situation, das darf man nicht vergessen. Die ist eine sehr untypische, weil eben schon moderne Psyche im Vergleich zu den archaischen Formen oder rezenten Formen von Rache und Opfer, die ich erwähnt habe. Also die Psychologie spielt eine Rolle. Zu diesen Träumen gehört ja auch, dass der Vater sozusagen im Traum den Auftrag gibt, der wird angenommen. [00:35:04] Speaker A: Das ist nämlich ganz wichtig, das muss ich auch sagen, weil das wird oft vergessen. Sie sagt eigentlich zum Schluss wendet sie sich ja sogar gegen den Vater durch das Erscheinen des Orest und sagt, der hat mir das ist den Hass geschickt. [00:35:15] Speaker B: Genau. [00:35:15] Speaker A: Ich habe. Der einzige Verkehr, den ich hatte, war der Hass. [00:35:19] Speaker B: Also es ist eine Art von Überich, das sozusagen parallel. Die Szene habe ich genauso gelesen wie du im Übrigen. Es ist beides eng geführt. Es ist in der Dualpsychologie jetzt mal in einem allgemeiner verstandenen Sinn, die ihn an dieser Konstellation interessiert. Und interessant ist natürlich auch noch an dieser Geschichte, sie eine sehr untypische Geschichte, dass sie die Rache nur partiell selber macht, sondern sie braucht den Bruder im Grunde genommen. Es wird nicht alleine gemacht und der Bruder muss sozusagen in diese Rolle schlüpfen. Und das ist ja auch das Normale, dass die Frau nicht die Recht hat, Rache zu üben, sondern sie muss einen Mann finden, der das sozusagen statt ihrer tut. Das ist ein traditionelles Element, wenn du so willst. Aber auch bei dem Bruder ist eine sehr starke, fast erotische Nähe zwischen Elektra und der Rest zu spüren. [00:36:13] Speaker A: Sie kann sich gar nicht anders verknüpfen miteinander. [00:36:14] Speaker B: Das macht irgendwie dieses Hofmannsthalstück, pardon, wenn ich das so sage, ein bisschen, wie soll ich sagen, heterogen und brüchig, weil auf der einen Seite er diese Geschichte zitiert, die wir aus dem antiken kennen, und diese Dekonstruktion lässt aber noch die ursprünglichen Spuren erkennen, während er auf der anderen Seite versucht, das individualpsychologisch auszuleuchten. Eine andere moderne als die von Goethe, der ja sozusagen nach einer Versöhnung in der Iphigenie auf Tauris versucht. Das wäre der Unterschied an dieser Stelle. [00:36:50] Speaker A: Eine kleine Einschaltung und eine Umlenkung nochmal. Die Einschaltung wäre, diejenigen unter ihnen, die Elektra nicht gesehen haben, müssen sie sich jetzt natürlich definitiv anschauen, wenn sie es nicht ohnehin schon vorhatten. Die Umlenkung wäre die trotzdem noch mal auch gerade an dich als Kulturwissenschaftler ist, weil es ist so auffallend bei, übrigens in allen Elektrostoffen, aber besonders bei Hoffmannshall, dass das irgendwie erinnern, also das Festhalten an einer Erinnerung oder an einem Trauma, einer Verletzung so stark ist, dass das wirkt wie. Das wirkt eigentlich wie das Mordmesser. Und dann gibt's diese großen Chryszene, wo man sagt, aber du musst doch vergessen, du musst vergessen. Und wenn wir jetzt allgemein gesellschaftlich, da bin ich abgebogen, in der Situation ist, wo man sagt, ja, also natürlich muss man bis zum gewissen Grad vergessen und verzeihen. Ich sage das sehr bewusst, dass jemand, der familiengeschichtlich, Stichwort zweiter Weltkrieg, damit viel zu tun hatte, auch was meine Mutter, meine Großmutter betrifft. Also auf der einen Seite ist natürlich das Vergessen und das Verzeihen mit Sicherheit, können wir gleich insgesamt noch mal drüber reden, eine gesundende Eigenschaft. Auf der anderen Seite scheint es ja nicht so günstig zu sein für eine politische Landschaft, wenn man vergisst, was Demokratie ist, was Freiheit ist, was Blödheit ist politisch. So, was denkst du zu diesem binary. [00:38:14] Speaker B: Hofmannsthal sozusagen auf diese Antwort? Keine Synthese. Beide vertreten problematische Positionen. Und die fällt ja zum Schluss auch der Traumatisierung zum Opfer. Das Blöde an der Rache und sie heilt das Trauma nicht, meiner Einschätzung nach. Ich bin kein Psychologe wie mein Mitdiskutant, aber sie heilt nicht. Und das führt Hofmannsthal fort. Wenn es einen starken Punkt gibt an Hofmannsthal, dann diesen, dass er zeigt, das ist kontraproduktiv. Das Vergessen geht auch nicht. Im Übrigen darf natürlich nicht vergessen werden in dem Stück, sonst kann ich ja keine Rache. Wenn ich es vergesse, brauche ich, kann ich keine Rache mehr. Ist ja ganz einfach, scheinbar einfach. Und die Möglichkeit der Heilung des Traumas oder einer möglichen Versöhnung oder einer anderen Wende ist bei Hofmannsthal nicht gegeben, meiner Einschätzung nach. Der Schluss legt das im Grunde genommen nicht nahe, dass man sagt, ja, juhu, und jetzt sind wir wieder alle. Die Wunden werden zwar nicht heilen, aber wir werden ein bisschen heilen. Es wird immer Erinnerung bleiben. Also so ein moderates Happy End ist nicht denkbar. Das ist in der Postaufklärung bei Goethe vielleicht, deswegen habe ich das erwähnt, das Stück denkbar. Bei Hofmannsthal ist es nicht denkbar. [00:39:39] Speaker A: Aus dem raus eine elegante Windung. Ich versuche es noch mal beim beim Psychiater in Paulus Hochgatterer gibt es eine Möglichkeit oder arbeitet man in der Psychiatrie damit, wie ein Erinnern auch an ein Trauma stattfinden kann, das aber dennoch ein Verzeihen impliziert und nicht den fatalen Weg in Rache oder Selbstauslöschung? [00:40:10] Speaker C: Verzeihen ist gar keine psychiatrische, oder sagen wir mal, keine psychiatrische kinder jugendpsychiatrische Kategorie. Es geht in der Traumatherapie oder in Wahrheit in allen Methoden der Psychotherapie geht es darum, die traumatisierten Menschen zu befähigen, sich innerhalb einer therapeutischen Beziehung mit dem Drama in einer erträglichen Form zu konfrontieren und dieses Drama in die eigene Geschichte zu integrieren. Das heißt aber nicht primär, dass es die Notwendigkeit des Verzeihens gibt. [00:40:50] Speaker A: Aber es heißt, dass sozusagen das Erinnern wichtig ist. Also was du jetzt gesagt hast, dass das Aufrechterhalten, damit ich es integrieren kann, ist wichtig. Also Das Vergessen ist keine Möglichkeit. [00:41:00] Speaker C: Konfrontieren ist nur dann möglich, wenn wenn es eine Art des Erinnerns gibt. Das heißt, es muss innere Bilder geben, die das Drama in irgendeiner Form wieder hervorrufen. Und in diesem Kontext muss es möglich sein, sich zu konfrontieren mit dem Drama. Wenn das gelingt, gehalten in einer therapeutischen Beziehung, dann kann Integration erfolgen. Ja, aber. Und das Vergessen. Das Vergessen ist in der Psychotherapie nicht sehr beliebt. Das findet zwar statt, die Gefahr oder dieses Vergessen, Verdrängen, bei dem immer die Gefahr besteht, dass unerledigte Dinge mitvergessen, mit verdrängt werden, und die kommen dann durch irgendeine Symptomhintertür wieder herein ins Leben des Betroffenen. [00:42:00] Speaker B: Oder durch ein neues Ereignis vielleicht auch. [00:42:02] Speaker C: Heute sagt man. Ich hasse dieses Wort triggern. Alles wird getriggert. [00:42:08] Speaker A: Es war auch schon zweimal verwendet. [00:42:10] Speaker C: Entschuldige, ist mir nicht aufgefallen. [00:42:12] Speaker A: Ja, ich habe es unauffällig gemacht. Ich verstehe dich. [00:42:17] Speaker C: Diese Vorgänge. Wenn traumatisierende Prozesse nicht integriert sind oder nur teilweise integriert sind, dann besteht diese Gefahr. Aber das ist anders als bei Elektriker. Der ist das bewusst, was passiert ist. [00:42:34] Speaker A: Ich will auf was raus. Und lieber Freund Wolfgang, da werde ich dich jetzt aber festnageln. Elektra hin oder her. Ich meine, niemand liebt das Stück mehr als ich. Aber wenn das so ist, wenn sozusagen das Vergessen unpopulär ist bei in der Psychiatrie oder bei Psychotherapeuten, ist das oder sollte das Vergessen auch unpopulär in Gesellschaften sein? [00:43:00] Speaker B: Das ist eine sehr gute und auch heikle Frage, deswegen stelle ich, schließt aber an das an, was du gesagt hast. Ich würde auch sagen, verzeihen, vergeben, all diese Dinge, versöhnen, das ist ja noch viel mehr. Das sind keine psychologischen Kategorien. Ich erinnere mich an Jean Amerie, der kurz vor seinem Leben gesagt können sie verzeihen? Nein, ich werde nie verzeihen. Das brauche ich für meine psychologische Stabilität. Das finde ich in Ordnung. Eine Gesellschaft, wenn wir bei dem Punkt sind waren, dass die Gewalt eine Bedrohung für die Gesellschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhang ist, dann stellt sich die Frage der Versöhnung oder des Verzeihens oder wie man auch immer das formulieren will, auf einer politischen Ebene. Das heißt, es gibt diesen wunderbaren Text von Ingeborg Bachmann unter Mördern und Irren. Da sitzen acht Leute zusammen, vier davon sind Täter oder Mitläufer, vier werden als Juden bezeichnet, das ist eine symbolische Bezeichnung. Und die sitzen so am Stammtisch zusammen. Das ist ein Gleichnis. Das heißt, diejenigen, die schuld waren an einem Verbrecher, Mitschuld haben an einem verbrecherischen System, sitzen mit den Opfern zusammen. Das ist eine vollkommene Zumutung. Aber trotzdem kannst du ja nicht aus einer Gesellschaft sagen, 1 Million Österreicher müssen Österreich verlassen nach 45. [00:44:26] Speaker C: Das ist eine Parabel auf den Prozess, den ich vorhin versucht, historischen Prozess, den ich versucht habe zu skizzieren. [00:44:35] Speaker B: Unsere Gesellschaft. [00:44:39] Speaker C: Ist nach wie vor dadurch gekennzeichnet, dass es so was wie eine Einhegung dieser Gewalt geben muss, damit sie funktional bleibt. [00:44:50] Speaker A: Und dafür brauchen wir das Erinnern. [00:44:52] Speaker B: Wenn ich euch verstehe. Zu dem Erinnern wollte ich auch sagen, das erinnern und das vergessen wird immer als Gegensatz. Ist aber ein Kompliment. Ich erinnere, weil ich es vergessen hatte. Das ist ein dynamischer Prozess. Ich halte nichts dafür, dass eine Gesellschaft so etwas vergessen kann. Wir haben keine der gewalttätigen Dinge, die in der Weltgeschichte passiert sind, außer der Shoah. Es besteht keine Chance, die kolonialen Verbrechen zu vergessen und, und und. Sie tauchen immer wieder unangemeldet auf. Also wir brauchen uns da keine Sorge zu machen. Ich halte das für übertrieben. Und es geht darum, auf der einen Seite das Vergessen das Problem hat, sieht man bei Elektra ja bis zu einem gewissen Grad sehr gut, weiterzuleben, fortzuleben, ein neues Leben anzufangen. Das bedeutet ein lähmendes Moment. Und der Opfer oder auch Täter war, der muss ja neu anfangen können. Dafür muss er sozusagen partiell vergessen. Aber er weiß, dass das nie vollständig gelingen kann. Es gibt eine Figur bei Walter Benjamin, der Engel der Geschichte. Da wird der Engel geschoben sozusagen von den Verbrechen der Vergangenheit in eine Art von Zukunft. Da wird versucht, die Schrecken, die Katastrophen der Geschichte so zu wenden, dass sie mich handlungsermächtigen, dass sie nicht mehr vorkommen. Das ist sozusagen die Hoffnung, die wir in der Demokratie niemals aufgeben. [00:46:25] Speaker A: Aber jetzt bin ich unhöflich aus aktuellen Gründen. Also du sagst, wir dürfen diese Hoffnung in der Demokratie niemals aufgeben. Und es wird nichts vergessen. Es kann nichts vergessen werden. In Gesellschaften speichert sich das. Es muss so sein. Ich habe vor dem Herfahren einen Artikel, wie es derzeit viele gibt, in den restlich verbleibenden wenigen Qualitätsmedien, wo sehr deutlich analysiert wird, dass also einfach ganz nüchtern beschrieben wird, dass Wähler der extremen Rechten, sei das AfD, seien das andere Parteien, wenn man sie, wenn man sagt, aber Entschuldigung, da wird ja ein Gedankengut ganz deutlich und voller Stolz rausgetragen, dass konsensual nicht möglich war in der Bundesrepublik Deutschland, so dass nicht parteifähig war. Und die sagen nein, das ist da nicht so, dass das stimmt nicht, das ist, das hat mit uns nichts zu tun. Das war früher. Also es gibt ein ganz explizites Vergessen von einer, wenn man jetzt sich Wahlanalysen oder Wahlergebnisse anschaut, ganz eindeutigen, einem eindeutigen Vergessen verdrängen, wie wir immer es gibt. [00:47:31] Speaker B: Doch keinen besseren Beweis, dass das nicht vergessen ist, dass die so agieren. An diesem Agieren erkennt man, dass es nichts zu vergessen gibt. [00:47:39] Speaker A: Du meinst, dass wir das nicht sollten, weil sie vergessen ja, ganz aktiv und fröhlich. [00:47:42] Speaker B: Ja, aber das geht eben nicht. Du kannst nicht das Vergessen vergessen. Das geht nicht. Deswegen habe ich das mit dem Erinnern. [00:47:50] Speaker A: Entschuldigung, für die Partei, die fast den Kanzler gestellt hätte, und die wurde ja gewählt, die hat sich nicht selbst ermächtigt. Für diejenigen ist dieses Vergessen der Trigger. Da kommt das böse Wort, um so zu wählen. Also so funktioniert dieses Vergessen anscheinend, zumindest für große Teile der Gesellschaft, die ich überhaupt nicht anschwärzen will. Dafür gibt es eben, glaube ich, gute Gründe. Wieso funktioniert es derzeit nicht sehr gut? [00:48:16] Speaker C: Weil es keins ist. Es ist kein Vergessen. Es ist kein Vergessen, es ist ein verleugnen. Der Unterschied zwischen vergessen und verleugnen ist, verleugnen ist lügen. [00:48:25] Speaker B: Das sieht man ihnen an, dass sie lügen. [00:48:27] Speaker C: Es ist ihnen bewusst, dass es so ist. Und es ist ein Verleugner. [00:48:31] Speaker A: Das war ein wichtiger Beitrag. [00:48:32] Speaker C: Es ist kein Vergessen. Das ist genauso, wie wenn Elon Musk eine Geste macht, die ich hier jetzt nicht wiederholen will und dann sich die Leute darüber den Kopf zerbrechen, ob das der Hitlergruß war oder nicht. Also völlig bizarr. [00:48:48] Speaker B: Dann sagt nein, das war nicht so gemeint. Das kennen wir natürlich. [00:48:50] Speaker C: Jeder kann es anschauen. Jeder sieht den Triumph in seinem Gesicht und diese die Lust an der Provokation. Und das ist nicht vergessen. [00:49:02] Speaker A: Das scheint mir jetzt ein sehr, sehr bemerkenswerter Punkt. Lassen wir uns das mal, stellen wir das da mal so vor uns hin. Also es gibt eben diesen erheblichen Unterschied zwischen vergessen und verleugnen. Also die Erinnerung ist da, wird aber mit machen. [00:49:14] Speaker C: Und zwar ist es instrumentales Verleugnen, dieses Verleugnen zu einem bestimmten Zweck und nicht zum Zweck der Erhaltung der eigenen psychischen Gesundheit. Da gibt es Verleugnen auch, sondern ein zielgerichtet politisch motiviertes Verleugnen. [00:49:30] Speaker B: Also ich würde so weit gehen und die Erinnerungspolitik ist Teil einer gegenwärtigen Politik. Sie ist ein Instrument der Auseinandersetzung und sie bedient sich eines Phänomens des Vergessens, das ich als Paradox bezeichnen würde. Ich würde den Begriff des Paradoxen nehmen und sagen, wenn ich die ganze Zeit konfrontiert werde, mich konfrontiere mit dem vergessen und sage, das war ja alles nicht so und so weiter, bin ich mittendrin. Ich werde zur Rede gestellt. [00:49:56] Speaker C: Dazu gehört eine meiner Lieblingsfiguren überhaupt, die schreib immer gelegentlich darüber, das ist der Schlussstrich. Ziehen wir doch einen Schlussstrich. [00:50:06] Speaker A: Das ist etwas, was in deiner Branche gar nicht gemacht wird. [00:50:10] Speaker C: Das wird von mir gar nicht gemacht. Das wird in meiner Branche, es gibt ja Psychotherapie oder Kinderpsychiatrie, ist es völlig sinnlos. Man muss anknüpfen etwas es gibt so etwas wie eine Kontinuationsverpflichtung von uns allen. Es gibt keinen Schlussstrich. Historisch nicht und individuell psychologisch auch nicht. [00:50:32] Speaker A: Jetzt kommt eine Riesenfrage. Achtung, Achtung. Ich weiß, dass sie nicht in dem Rahmen. Also wenn wir eine Antwort auf die hätten, würden wir wahrscheinlich hier nicht sitzen, sondern irgendwo in Weltrettungs Think Tanks unterwegs sein. Trotzdem stelle ich jetzt die Frage, wie kann man, und das führt uns ein bisschen dieses zweite Kapitel in gewisser weise Mut, Courage. Gibt es eine Möglichkeit, diesem Verleugnen, also diesem aktiven, wie du sagst, instrumentalisierten, machtpolitischen, absichtlichen, auch individuell Verleugnen entgegenwirkt? Also ich formuliere es noch mal. Gibt es Ideen, Maßnahmen aus eurer Zunft, sage ich jetzt mal so, oder einfach menschlich, die diesem verleugnen, diesem offensichtlichen, wo du vorher bei unserem Gespräch gesagt hast, mir fällt dazu nichts mehr ein, ich stehe davor und fasse es nicht, etwas entgegensetzen können? Oder wie kommen wir raus? Dritte Formulierung derselben Frage aus dem Schlussstrich machen, diesen falschen Schlussstrich machen. [00:51:45] Speaker C: Noch einmal andersrum. Es gibt, wenn ich, wenn ich biografisch unbelastete kleine Kinder zu Soldaten machen möchte, so gibt es Methoden, das zu tun. Das würde uns in diversen Ländern irgendwie Kindersoldaten, nicht Kindersoldaten, wird uns vorgeführt. Das ist möglich, wenn ich es erreichen möchte, dass die Menschen in einem Land irgendwie denkunfähig und stumm werden. So gibt es Möglichkeiten dafür. Und momentan sind wir irgendwie so in so einer seltsamen Paralyse Situation, die in etwa dem entspricht, was ich gerade gesagt habe. Und ich habe noch keine Antwort auf die Frage, wie wir da rauskommen. Ich weiß nur, es muss irgendwie gelingen. [00:52:35] Speaker A: Ich reflektiere nur ganz kurz darauf, bevor ich deine Überlegungen mit einbinde. Das heißt, die Psychiatrie, ich frage das wirklich in aller Naivität als Laien, hat auf die Frage, wie man dem Vergessen in diesem Sinne, also diesem gelenkten, diesem verleugnen entgegentritt, nehmen wir ruhig das Wort couragiert, entgegentritt, keine, ich sag's wirklich so naiv, Rezepte. [00:53:09] Speaker C: Nein, die Psychiatrie halt. [00:53:13] Speaker A: Ich meine es nicht kritisch, ich meine das ganz unschuldig. [00:53:16] Speaker C: Psychiater an die Macht oder was? [00:53:18] Speaker A: Nein. [00:53:21] Speaker C: Analytiker an die Analyse wäre manchmal eh nicht schlecht. Aber die Psychiatrie hat sich natürlich befasst, und das kann man nachlesen, mit den Persönlichkeitsstörungen von von den Menschen, die hier zum Teil jetzt schon genannt wurden. Aber das Überwältigende, das momentan stattfindet, darauf waren wir alle nicht vorbereitet. Wir haben irgendwie, wir alle an unseren Stammtischen oder zu Hause auch, uns gelacht über Trump und seine seine Kasperiaden und nicht bedacht, dass es nicht nur ihn gibt, sondern rund um ihn eine Entourage oder eine Meute von Menschen, die dieses Kasperlhafte gar nicht haben, sondern nur das. [00:54:17] Speaker A: Psychopathische eine Umlenkung auf den Kulturtheoretiker, dieses sozusagen in der Geschichte der Kulturen, wenn ich jetzt mal das so flapsig sage, ist es ja doch so, dass wir diese Überwältigungen, wie du sie jetzt beschrieben hast, das finden wir ja in der Literatur zuhauf. Also jeder, der gelesen hat, von, weiß ich nicht, den Atriden bis über Krieg und Frieden bis zu, weiß ich nicht, aktuellsten lesenswerten Publikationen, weiß, dass die Menschheitsgeschichte auch eine Geschichte dieses überwältigt seins ist. Dass eben immer wieder Phänomene eintreten, wo eine jeweilige Gesellschaft sagt, um Gottes willen, haben wir nicht kommen sehen. Also das heißt, wir sind in der gefühlt hundertsten oder tausendsten Schleife des wir haben es nicht kommen sehen. Daher bewusst an den auch Gesellschaftsanalysten gefragt, warum sehen wir es immer nicht kommen? Oder warum haben wir nicht, die Menschheit ist ja an sich doch letztlich sehr resilient. Warum haben wir nicht, ich bleibe jetzt absichtlich bei diesem naiven, fast dummen Wort, Rezepte des sich zur Wehr setzens gegen diese Ohnmacht oder gegen diese Überwältigung des. [00:55:32] Speaker B: Unfassbaren, bösartige sagen, wir erleben ja Gegenwehr in einer sehr perversen Form. Wir erleben, wie Leute mit absurden Argumenten gegen Corona auf die Straße gegangen sind. Und wir sehen, sie haben die von uns geschätzte Zivilcourage oder Mut für ein ganz anderes Ziel verwendet. Wir erleben doch sozusagen eine vollkommene Umkehr. Ich warne immer dagegen, die er Jahre mit heute zu vergleichen. Es gibt viele, viele Unterschiede. Aber wenn es eine Gemeinsamkeit gibt, dann ist es, dass diese verunsicherten Menschen, ökonomisch, symbolisch verunsicherten Menschen, übersichtlich überfordert von der Komplexität von Kompromissen und Demokratie, von der komplexen Gesellschaft, in der wir leben, dass sie das sozusagen drehen, pervertieren. Pervertieren heißt ja drehen. Und das, was Linke und Liberale ihnen gelernt haben, das machen sie sehr wohl nach. Sie halten sich wahrscheinlich auch für mutig, wenn sie sagen, das stimmt nicht, oder man hat die Frau Belakovic gesehen im Fernsehen, wo man ihr nachgerechnet hat, die Zahl der Toten und empirische Dinge, und die ist vollkommen ausgerastet. Also die hat sich getraut, sozusagen die Maske abzunehmen und die wütende Frau auf die Bühne zu bringen. Ist auch ein Mut. Also es ist auch nicht per se jeder Mut gut. [00:56:57] Speaker A: Nein, ich fragte aber nach einem ganz bestimmten, nämlich dem Mut der Verleugnung entgegenzutreten. Nicht die Verleugnung als Mut zu kamoprieren, das ist das Gegenteil. [00:57:07] Speaker B: Der Mut der Verleugnung ergibt sich meiner Ansicht nach, aber da bin ich jetzt schon sehr nah bei Adler, und sperber, dass ich mich selber verleugnet und nicht anerkannt gefindet habe. Und das setzt zunächst mal heiße Wut in Gang. Und diese heiße Wut wird mit der kochen populistische Bewegungen. Und populistische Bewegungen arbeiten natürlich auch mit dem Zorn. Die Wutbürger sind ja von links nach rechts marschiert. Oder der Querdenker. Welcher linke Mensch nimmt doch eine Querdenker in den Mund? Niemand mehr. Und ich denke, wir haben eine Gesellschaft, die Demokratie erweist sich, und das haben wir übersehen, also eine höchst fragile Gesellschaft. Sie setzt Menschen voraus, die tendenziell, vor allem wenn sie schwächer und benachteiligt sind oder sich auch nur fühlen, nicht mittragen wollen. Und die sozusagen auf Figuren anspringen, die in einem Tag ist Frieden in der Welt oder Diktatur in einem Ding, wird das abgeschaltet in einem. Und so weiter. Das heißt also, da wären wir bei einem anderen Thema, glaube ich glaube, dass die Demokratie Menschen benötigt, die vielleicht doch eine Reflexion haben, die Psychoanalyse, Psychotherapie mit einschließt. Die Frage, die ich mir stelle, wie gut ist unsere Aufklärung? Auch im Hinblick auf was du angesprochen hast mit der Shoah und so weiter. Wie gut war unsere Geschichte? Haben wir manchmal auch zu viel des Guten getan? War die Pädagogik immer richtig? Und so weiter und so fort. Das sind auch unbequeme Fragen, nicht Fragen, die sagen wir mal damit auf. Das will ich auf gar keinen Fall sagen, sondern wie können wir das erzählen? Und zu einem Schlussstrich, letzter Punkt von mir. Ich habe vor Jahren einem Buch die Kultur und ihre Narrative geschrieben. Das heißt, diese Ereignisse, das klingt jetzt anstößig, die ändern sich natürlich. Wir sehen heute schon 2025 die Shoah anders als vor 20 Jahren oder in den ER Jahren, wo wir sozialisiert worden sind. Das heißt, das wird immer wieder recycelt und verändert. Das halte ich für viel, viel wahrscheinlicher als diese Warntafel niemals vergessen. Ich verstehe das subjektiv und moralisch, ich finde es auch anständig, aber es steckt ein Moment dahinter, den ich analytisch problematisch finde. [00:59:39] Speaker A: Nichtsdestotrotz liegt ja darin auch anscheinend die Misere. Denn wenn wir keine Antwort, weder psychoanalytisch noch kulturwissenschaftlich, darauf finden können, warum anscheinend große Worte, ist mir schon klar. Darf ich als Theatermensch die Menschheit nicht in einer Weise lernfähig ist, wo man zumindest zarte Pflänzchen eines Rezeptes hat, wie man dem Lügen, dem Leugnen, dem offensichtlich pervertierten, zum Schaden pervertierten entgegentritt, dann ist es ja schon wahrscheinlich einfach menschlich oder so. So ist es. So ist das diesseits. Aber es ist doch ein wenig ernüchternd vielleicht, um jetzt noch mal ins Gegenteil oder gar nicht ins Gegenteil, aber in eine Zutat abzubiegen. Der Mut oder der kindliche Übermut, der sowas vielleicht, weiß ich nicht, empowered oder ist es nur ein Wunschtraum? Ist das, was, ich habe das vorhin gefragt, auch bei der Angst oder bei dem Erinnern, ist kindlicher Mut, darum ging es sehr stark in dem in dem zweiten Stück, darum geht es in gewisser Weise auch bei Elektra, also dieses ich gehe dahin und ich stelle mich dem Ritter oder das, was sozusagen dieses wunderschöne Märchen von einem, der auszog, das fürchten zu lernen. Also ist dieses sich konfrontieren mit Dingen, die man scheinbar überhaupt nicht lösen kann, die furchterregend sind, aber dann doch in irgendeiner absurden Weise überwindet, ist das erstens mal unterschiedlich verteilt? Also sind wir da, wie man so schön klischiert sagt, Gefangene unserer Gene oder unserer unsere Setups, wie wir halt auf die Welt kommen. Ist das erlernbar? Ist es überhaupt erstrebenswert? Kann man es verlernen? Also wie steht es mit Mut oder der unterschiedlichen Verteilung von Mut bei Kindern, Jugendlichen? [01:01:28] Speaker C: Ich bin wahrscheinlich in einem Alter oder mit Sicherheit in einem Alter, da muss ich mich selbst irgendwie ständig verdächtigen, sentimental zu werden. Ich glaube, Mut steht in der Konjunktur momentan nicht ganz besonders hoch, oder du differenzierst sie so klug zwischen Mut und Courage. Courage auch nicht. Und ich fürchte, es hat durchaus damit zu tun, was wir, also die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten mit unseren Kindern auch gemacht hat, nämlich bewusst und zurecht gemacht hat, nämlich sie einer Gesellschaft auszusetzen, die konfliktreduzierend war, gewaltvermeidend war, letztlich in einem gewissen Sinn auch anstrengungsvermeidend war. Das heißt, die Situationen, in denen Mut und Courage notwendig waren, sind weniger geworden. Und die Pandemie war, das war auf ganz vielen verschiedenen Ebenen eine Laborsituation und ein Fressen für die Wissenschaft, wie es seit 50 Jahren nicht gegeben hat, nämlich für alle Disziplinen der Wissenschaft. Die Pandemie hat plötzlich so etwas erzeugt, eine Situation, die Courage, Mut, sich aufrichten gegen etwas ermöglicht hat. Und davor gab es das immer weniger. [01:03:04] Speaker B: Ich würde dieser Diagnose zustimmen. [01:03:07] Speaker A: Interessant. [01:03:08] Speaker C: Entschuldigung. Die Geschichte mit sentimentalen man kommt dann leicht in eine Situation, auch um Alfred Adler zu zitieren, der ja von der verzerrte Lunge gesprochen hat, das verzertelte Kind. Und das möchte ich nicht sagen, dass wir unsere Kinder verzertelt haben. Du möchtest es sagen. [01:03:35] Speaker A: Dass ich das sagen möchte, ist eine freundliche Unterstellung. [01:03:41] Speaker C: Es gibt in der Pädagogik, auch in der Kinder und Jugendpsychiatrie, nichts, was in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich war wie die Reduktion der Gewalt in der Kindererziehung. Das muss man sagen, also seit den er Jahren, zuerst im schulischen Kontext, dann das Verbot der häuslichen Gewalt, das hat sich ganz, und das ist wissenschaftlich tausendfach abgesichert, das hat sich ganz dramatisch auf die psychische Gesundheit der Kinder ausgewirkt. Aber trotzdem war es zugleich ein Prozess, der eben Courage, Mut schwerer gemacht. [01:04:23] Speaker A: Aber das ist ja hochinteressant, was du sagst, also wenig verwunderlich. Das scheint ja wirklich im Nuklid wirklich sehr klare Antwort zu sein, oder sagen wir mal eine Spur zur Analyse, was individuell, aber eben auch gesamtgesellschaftlich gerade passiert. Also es scheint ja so zu sein, dass wenn diese, sagen wir es mal absolut, ich sage das auch als Mutter zweier Kinder, begrüßenswerte Befriedung oder Reduktion von Gewalt, wie du sie eben beschrieben hast, wenn die auf der anderen Seite eine geringere, entschuldigen sie das Wort, ich muss mich wirklich für das Wort fast entschuldigen, aber es ist das Fachwort. Ich hatte den von mir bei aller Unterschiedlichkeit sehr geschätzten Oberst Markus Reisner hier als Diskussionspartner vor ein paar Tagen. Also wenn das, dieses höchst erstrebenswerte Gut, eine verminderte Wehrfähigkeit, also eine verminderte Fähigkeit, das, wo wir sagen, das wollen wir nicht, das wählen wir ab, das enttarnen wir als Verleugnung, als Lüge aufhebt, was dann? Das war eine große Frage. Also wie kommt man aus diesem Bias aus? [01:05:42] Speaker C: Mir ist nur eins noch als Ergänzung eingefallen. Die Jugend sucht sich ja Nischen, wo diese Dinge dann doch möglich sind. Und das uns manchmal lästige, weil auch fremde Thema der Diversität und der gender Problematik ist momentan so Thema, das von der Jugend gesucht wird, um dort mutig und couragiert auftreten zu können. Also es gibt Nischen, wo das möglich ist und das finde ich auch gut so. Aber jetzt, also wenn, ich kenne den Herrn Oberst nicht, der ist sicher ein. [01:06:22] Speaker A: Sehr sympathisches, wäre eine nächste interessante Kombination. [01:06:27] Speaker C: Aber wenn dann die Alternative zur Verzärtelung die Wehrfähigkeit ist, dann kriege ich den Verdacht, dass da vielleicht doch einige Schritte übersprungen. [01:06:40] Speaker A: Da habe ich auch immer gedacht, deswegen bin ich ja sehr vorsichtig mit dem Wort. Ich glaube, wenn er hier sitzen würde, würde einfach sagen, es geht nicht um Wehrfähigkeit in dem, was man damit verbindet, im Sinne Vaterlandsverteidigung, sondern es geht einfach um die Frage, die, also das sage ich auch als Mutter zweier Kinder, die ja enorm ist. Jede Mutter möchte, dass ihr Kind im Zweifelsfall in der Lage ist, sich, ohne dass du daneben stehst, aus einer Situation rauszuwurschteln. Also davon rede ich. Das ist ja sozusagen zwischen dem Skiller dessen, dass man so, also so, wie soll man sagen, reduziert ist, dass man auch dem offensichtlich falschen, verlogenen, wenn wir es jetzt ganz moralisch sagen wollen, bösen nicht mehr widersprechen kann als Kühler und als Charybdis auf der anderen Seite einer in irgendeiner Form völlig fehlgeleiteten Wehrhaltung. Also dazwischen muss es ja irgendetwas geben. Und dieses dazwischen scheint uns ja gerade zu mangeln. [01:07:38] Speaker C: Ja, ich mag das an einem Satz, den wir alle kennen, illustrieren. Es gibt diesen Satz Si vis Parcem. [01:07:47] Speaker B: Parabellum. [01:07:50] Speaker C: Und momentan beschränken wir uns alle auf die zweite Hälfte. [01:07:53] Speaker A: Vielleicht übersetzen wir den ganz kurz, weil nicht also alle von uns sind so gut. [01:07:58] Speaker C: Wenn du den Frieden möchtest, halte dich wachsam. [01:08:02] Speaker A: Das ist mit diesem Wort gemeint. [01:08:05] Speaker C: Und Momentan habe ich das Gefühl, auch diese ganze NATO Diskussion, es wird nur auf den zweiten Teil dieser Satzes fokussiert und wir vergessen, dass es darum geht, sicherzustellen, dass weiterhin Frieden herrscht. [01:08:20] Speaker A: Wobei auch, ich stimme dir völlig zu, wobei auch durch die Ereignisse vorgestern, also Thema Showdown im Obeloffice, der erste Teil ja sehr offensichtlich geworden ist. Also wenn wir hier Frieden wollen und der sogenannte große Bruder sich zu einem merkwürdigen weiß ich nicht was entwickelt hat, dann wird dieses Frieden, wie halten wir hier Frieden Thema werden, oder ist offensichtlich ein Riesenthema. [01:08:50] Speaker C: Mir geht das alles zu rasch. Also ich glaube, also die Kriegsphantasmen, die entstehen oder die auch erzeugen, die Beschleunigung ist enorm. Also ich habe das Gefühl, da stehen irgendwelche Leute beidbeinig auf dem Gaspedal und und die stimmt denn das eigentlich? Ist das wirklich wahrscheinlich, was in unseren Hirnen erzeugt wird? Diese Frage kann und darf momentan nicht gestellt werden. [01:09:17] Speaker A: Das ist völlig richtig. Gleichzeitig ist es halt so, dass es hier noch nicht ist, also nicht vor dieser Bühne, aber unser Freund Joko Prohasko würde sagen, aber in Lemberg steht es bereits. Das scheint ja das Problem zu sein. [01:09:32] Speaker B: Ich meine, es ist aber alarmierend genug, das muss man schon mal sagen. In Deutschland und Österreich, also die Länder, die wir am besten kennen, das sind sozusagen von der Mitte, die eine Demokratie trägt, 40 % übrig geblieben, von 80 auf 40. Das sind Entwicklungen, die vergleichbar sind mit den Entwicklungen der weimarer Republik und in der ersten österreichischen Republik. Das ist nicht nix. Und ich glaube, das ist ein Wandel der Politik, der notwendig ist, meiner Ansicht nach. Dieses Schlussmachen mit diesen Plastikgeschichten, die Leute nicht ernst nehmen, nicht mit ihnen kommunizieren, dieses Verleugnen ist natürlich auch immer eine Anklage an das, was man als Elite bezeichnet. Das heißt, wir müssen die Kommunikation ändern, wir müssen die Aufklärung ändern, wir müssen die Spielregeln ändern, wir müssen die. Wir dürfen die Diskurse nicht noch immer enger und enger machen. Darf ich das überhaupt noch sagen? Das sind ja Parodien, diese Diskussionen hier im Fernsehen, die wir erleben. Wenn ich mir das nostalgisch jetzt mit dem Club zwei und Adolf Roll und. [01:10:35] Speaker A: Was weiß ich, und diese schöne Veranstaltung. Was sagen sie? [01:10:40] Speaker C: Ich weiß noch, mir fällt dazu ein Satz, ich weiß nicht, warum er mir jetzt einfällt, ein Satz aus Elektra ein. Ja, tatsächlich. Der in Wahrheit mein Lieblingssatz ist. Meine Lieblingsszene. Orest kommt, ist noch unerkannt und begegnet Elektra, also die nicht weiß, wer er ist. Und sie fragt ihn, wer er ist und was er da macht, fragt sie ihn. Und er ich muss warten. Und das ist ein genialer Moment. Ich war nicht bei der Primär, weiß nicht, ob er vorkommt. [01:11:25] Speaker A: Ja, natürlich. Ich liebe ihn auch sehr. [01:11:29] Speaker C: Und ein wenig, glaube ich, müssen wir warten. [01:11:34] Speaker A: Mir ist das auch sehr, sehr sympathisch. Gleichzeitig bist du ungeduldig. Ich bin immer ungeduldig. Aber ich denke wirklich jetzt z.B. an Joko, oder ich denke, ich hatte das große Glück, in den letzten Jahren mit einem Projekt viel reisen zu können. Und das Warten wird einfach schwieriger, wenn die Warteposition, auf der du sitzt, nicht die aparte Bühne hier in Österreich ist, sondern ein Marktplatz in Tunesien oder der Flughafen in Tel Aviv. Wir waren am siebter Oktober da. Also das heißt, je näher einem die Welt rückt, weil man einfach Freunde hat, Verwandte, wie auch immer, desto ungeduldiger wird man, weil die tickende Uhr kümmert sich. Ich bin bei dir. Ich bin völlig emotional mit deiner Aussage verknüpft. Auf der anderen Seite streitet in mir die Sache, dass sozusagen die Welt nicht mit ihrem Tempo, mit ihrer, wie du so richtig gesagt hast, Beschleunigung nicht anhält, nur weil wir sympathischer finden zu warten. Ich sage das jetzt polemisch gegen mich. [01:12:45] Speaker B: Selbst, auch noch einen ehrlichen Satz sagen. Das heißt, der Kulturwissenschaftler in mir und der politische Intellektuelle sind im Widerstreit miteinander. Der politische Intellektuelle tendiert trotz allem Misstrauen, das muss auf einmal gehen, und Beschleunigung trotzdem dazu. Man muss Hoffnung haben, und das Warten muss sozusagen der Verstärkung der Hoffnung und der Intelligenz dienen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass bestimmte kulturelle Prozesse ungeheuer langsam vonstatten gehen, vor allem in Demokratien, den Paulus dargestellt hat mit der Kindererziehung und Abnahme der Gewalt. Das ist nicht von heute auf morgen gegangen, das ist ein Prozess von zwei Generationen, mindestens zwei Generationen. Und dieses Lag, dieses Missverhältnis, das habe ich nicht erfunden, aber es ist besser, sich das einzugestehen, dass das ein Problem ist, als darüber hinwegzugehen. Das möchte ich dazu sagen, zu dem Gespräch zwischen dem Kulturwissenschaftler und dem politischen intellektuellen Müller. [01:13:47] Speaker A: Vielleicht als Schlussrunde dennoch ein völlig ernst, gemein, freilich irgendwo utopischer Versuch oder Frage, wenn wieder aus euren Disziplinen, Herkünften, Alter habt ihr angesprochen, Erinnerungen habt ihr angesprochen. Wenn ihr individuell zu dieser Situation, nicht jetzt der ganz großen, aber sagen wir mal der Stimmung, die es derzeit gibt, etwas sagen würdet in Hinsicht auf Mut oder Ermutigung, wie man es vielleicht einem Kind oder Enkelkind oder einem Freund oder so sagt, im Sinne von, was könnte es kann das winzige sein, ein Bestandteil sein, wo Ermutigung in diesen Zeiten, ich meine, du bist viel mit deinen Kindern und Jugendlichen damit zu tun haben täglich, was wäre eine Zutat oder eine Aktion, eine Bewegung, eine Denkbewegung, eine tatsächliche Bewegung, um Mut, ich sage nicht zu triggern, vorzuschlagen oder ins Werk zu setzen in Zeiten des, also gelinde gesagt, unmutes? [01:15:11] Speaker B: Nachdem du das Schlusswort erhältst, beantworte ich zuerst die Frage. Worum es gehen müsste, ist die Stärkung des Zusammenhaltes, und zwar nicht auf so eine pseudopazifistische Weise, sondern die Hoffnung, Respekt, aber auch Konflikt bearbeitet. Das würde ich meinen. Die Antwort der Mitte muss der Zusammenhalt sein. Und wir müssen diejenigen, die sozusagen den falschen Mut pervertiert haben, sozusagen mit diesem Angebot des Zusammenhalts konfrontieren. Es ist kein Zufall, dass in der Soziologie, in den Kulturwissenschaften diese Frage, was uns zusammenhält, eine so wichtige Rolle besteht. Und die Zerklüftung der Gesellschaft in sehr viele Flügel oder vor allem aber auch polar, wenn man sich das in Amerika anschaut, ist ja nicht so, dass ganz Amerika die Manieren von Trump Manieren ist ein euphemistischer Ausdruck goutiert, sondern es zeigt die tiefe Spaltung dieser Gesellschaften. Und diese Gruppierungen, die es nicht gut meinen mit der Demokratie, die profitieren davon. Also müssen wir ein Konzept von Zusammenhalt entwerfen, das nicht sozusagen konfliktvermeidend ist, sondern das in einer fairen, manchmal auch harten, aber respektvollen Art und Weise die Gesellschaft näher bringt, dass wir sagen, wir haben was gemeinsam, nämlich dass wir in der Lage sind, Konflikte friedlich zu lösen und auch unangenehme Sachen zu diskutieren und sie nicht außer Diskurs reich zu stellen. Als ich. [01:16:43] Speaker A: Es hört, so theoretisch es sich anhört, hört sich gar nicht theoretisch an. Ich glaube, es ist ein richtig gutes Rezept. [01:16:49] Speaker B: Das kann man schon im Kindergarten lernen wahrscheinlich. [01:16:51] Speaker A: Ja, Paulus, richtig. [01:16:54] Speaker C: Ich sage in Wahrheit das Gleiche mit anderen Worten, dann muss es wahr sein. [01:17:01] Speaker B: So allmächtig zu sein. [01:17:05] Speaker C: Ich werde eh nicht müde, immer wieder, man sagt ja immer wieder das gleiche in Wahrheit, immer wieder eins zu es gibt in der Frage, ob ein Kind einen günstigen Weg nehmen wird oder eher nicht, einen einzigen oder einen konstant stabilen und begünstigenden Faktor. Und das ist das Vorliegen einer von One. In der Fachliteratur heißt es immer One caring person. Das heißt, wenn eine Person für ein Kind vorhanden ist, die stabil da ist, von der das Kind nicht nur annimmt, sondern auch erfährt, dass es dieser Person ein Anliegen ist, dann ist die Prognose dieses Kindes wesentlich günstiger, als wenn das nicht der Fall ist. Mit anderen Worten, seien wir, und das verlangt unseren Mut, caring persons. Ich denke, das gilt ja nicht nur für Kinder, sondern das gilt für uns alle. Und stellen wir uns als stabile Bezugspersonen zur Verfügung. Ich, und das ist völlig unpsychoanalytisch, sag zu Kindern immer wieder diesen Satz, den ich in meiner Kindheit auch gehört habe, nä trau dich doch in ganz verschiedenen Situationen. Nach der heutigen Diskussion werde ich vielleicht sagen, wie hast du gesagt, nicht jeder Mut ist gut, aber trau dich doch trotzdem. Also wenn wir uns zur Verfügung stellen und dieses trau dich vermitteln können, dann denke ich, haben wir das getan, was zu tun ist. Danke. [01:18:57] Speaker A: Das ist. Vielen Dank. Das sind zwei sehr konkrete und ich finde doch auch unterschiedliche Vorschläge, also Facetten. Was mich wiederum aus meiner Zunft und als Mensch einfach berührt, ist, dass das, was du vorschlägst, in gewisser Weise auch du. Aber dieses sozusagen noch mal ein Kind ist halt einfach immer so, das haben wir alle als Bild, diese Situation. Das hat ja einfach mit Liebe zu tun, also sozusagen diesem großen Hass und dieser großen gehässigen Verlogenheit. Denn nichts anderes wurde uns da ja auch in verschiedenen Facetten auf der Weltbühne geboten in der letzten Woche. So christlich sich das anhört, das ist ja nicht unbedingt etwas Falsches an einem Sonntagvormittag. Dem kann man anscheinend doch mit Liebe caring, wenn man so verstehen wollen. Caritas ist ja die Wurzel dieses Wortes, beikommen. Vielleicht. Zumindest ist es etwas, das wir in der Hand haben. Ja. Ich bedanke mich sehr herzlich bei euch beiden für das Gespräch. Ich bedanke mich bei ihnen für Ihre gespannte Aufmerksamkeit. Ich lege ihnen voller Freude dieses Programm, dieses Festivals ans Herz. Über Elektra wurde heute viel gesprochen. Die nächste Premiere findet nächsten Mittwoch statt. Viel schon auch an Vorstellungen bei beiden ausverkauft, also wenn sie es interessiert. Und ich glaube, diese Gespräche zeigen, wir können so unheimlich viel von diesen Geschichten lernen, egal ob wir jetzt Theaterfreak sind oder nicht. Ja, in diesem Sinne wünsche ich ihnen ein frohes stöbern am Büchertisch von Max, der großartig ist. Ich weiß, dass wir alle noch wie immer nach diesem Ritual im Raum sind. Also wenn Fragen one to one auftauchen, das wird jetzt sicher nicht zugeschnürt, der Sack. Und ich wünsche ihnen ein ermutigtes restliches Wochenende.

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